Wir haben uns den Spirit und die Neugierde eines Start-Ups erhalten
Hanser Automotive, Munich, September 2, 2022
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Jede Technologie, jedes Produkt und jede Firmengründung beginnt mit einer Idee. Wie aus einer Idee ein erfolgreiches Unternehmen wie Inova Semiconductors entstand, erläutert Robert Kraus, Mitgründer und CEO, der uns einen Ausblick gibt, wie ISELED, ILaS und APIX weiterentwickelt werden.
Made in Bavaria – spezialisiert sich das 1999 gegründete Fabless-Halbleiterunternehmen Inova Semiconductors mit Sitz in München auf leistungsfähige Produkte für die serielle Datenkommunikation mit Gigabit/s-Datenraten. Neben über 170 Millionen ausgelieferten Automotive-Pixel-Link-Produkten (APIX) hat der Hersteller 2016 ISELED, die „digitale LED“, vorgestellt und davon bereits 100 Millionen Chips produziert. 2020 folgte ISELED Light and Sensor Network (ILaS), das ab 2025 im Fahrzeug in Serie gehen wird.
Inova Semiconductors wurde in diesem Jahr mehrfach als eines der „innovativsten Unternehmen Deutschlands“ ausgezeichnet. Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht Grundlage für diesen Erfolg?
Auch, wenn wir nach 23 Jahren natürlich kein “Start-Up“ sondern ein sehr erfolgreiches Unternehmen sind, haben wir uns diesen Spirit und die Neugierde an technischem Neuland über all die Jahre erhalten können, „In(n)ova(tion)“ steckt ja bei uns sogar im Firmennamen. Nachdem wir 16 Jahre dafür bekannt waren, Bits immer schneller von A nach B zu übertragen – zuerst mit GigaSTaR und seit 2006 dann auch mit APIX – kamen wir 2016 plötzlich mit der Idee von ISELED, der „digitalen LED“ auf den Markt. Bei etablierten Lichtfirmen löste dies Kopfschütteln, oft auch nur ein müdes Lächeln aus: Inova, das sind doch die mit APIX, was verstehen die denn von LEDs? APIX ist heute einer der weltweit etablierten Standards für Gbit/s-SerDes-Lösungen mit Lizenznehmern wie Socionext, Analog Devices und der Infineon-Tochter Cypress und weltweit rund 170 Millionen installierter Knoten. Bei ISELED explodieren die Absatzzahlen förmlich, da steht 2025 schon die Milliarde im Raum. Dabei war ISELED nicht das Ergebnis von umfangreichen Marktbedarfsanalysen oder Innovations-Workshops, sondern eines Gesprächs mit einem Herrn von BMW im Herbst 2015, in dem wir mehr oder weniger zufällig auch auf LEDs zu sprechen kamen und „ob man das mit deren Ansteuerung nicht ganz anders machen könnte, weil die aktuellen Lösungen zu langsam, ein Bauteilegrab und für künftig hunderte von LEDs im Fahrzeug nicht bezahlbar sind“. Zuhause machte sich dann unser CTO – auch seit Gründung von Inova mit dabei und gerade voll mit der Entwicklung von APIX3 beschäftigt – gleich seine ersten Gedanken dazu. Mit bekanntem Ergebnis. Der „Herr von BMW“ ist übrigens derselbe, der schon 14 Jahre zuvor auf einer Ausstellung in Ludwigsburg an unserem Stand vorbeikam, dort unsere industriellen GigaSTaR SerDes-Produkte sah und fragte, ob man das Konzept nicht auch Automotive-tauglich machen könnte – die Idee von APIX, dem Automotive Pixel Link, war geboren. Und wenn wir schon über Innovationen sprechen, wäre da ja auch noch ILaS: das „ISELED Light and Sensor Network“ wo wir gerade erste funktionale Muster auf dem Tisch haben und BMW auf der letzten Iseled-Konferenz im Oktober 2021 angekündigt hat, dass sie ILaS mit Start ihrer „Neuen Klasse“ und einer völlig neu definierten Architektur ab 2025 in allen Modellen einsetzen werden. Sie können sich sicher denken, wie auch diese Innovation zustande kam: am Anfang stand wieder mal die Frage, ob man die ursprünglich nur für kurze Entfernungen ausgelegte ISELED-Übertragung nicht auch auf das ganze Fahrzeug ausrollen könnte.
Aber um auf Ihre eigentliche Frage zurückzukommen: am Anfang jeder Innovation steht immer eine Idee. Dann allerdings braucht es die richtigen Köpfe und das Wollen, diese Idee in ein Produkt umzusetzen und auch andere davon zu begeistern und mitzunehmen.
“Wenn man so eine geniale Idee wie ISELED hat, stellt sich natürlich die Frage, wie kann man – noch dazu als kleinere Firma, die bisher nichts mit Licht zu tun hatte – andere dafür interessieren und begeistern?"
— Robert Kraus, Mitbegründer und CEO von Inova Semiconductors
APIX ist mittlerweile in der dritten Generation verfügbar und ermöglicht über ein geschirmtes Twisted-Pair-Kabel Übertragungsraten von bis zu 6 Gbit/s bzw. max. 12 Gbit/s über eine Quad-Twisted-Pair-Verbindung. Wie geht es mit APIX weiter?
Über die Erfolgsstory von APIX – Premiere bei BMW im Jahre 2008 und mittlerweile in der dritten Generation – haben wir ja schon kurz gesprochen, wobei wir selbst mit APIX2 und seiner 3 Gbit/s- Datenrate heute noch neue Designs gewinnen, gerade wieder bei einem japanischen OEM. APIX3 hatte seine Premiere im Jahre 2018 auf BMW’s Media-Graphics-Unit-Plattform, dort noch im APIX2 Kompatibilitätsmodus mit 3 Gbit/s. Wir arbeiten aktuell bereits an der zweiten Evolutionsstufe von APIX3 mit vollen 12 Gbit/s, Display Port Multi Stream Transport (MST), HDCP2.3 Verschlüsselung und anderen Features und haben damit vor kurzem eine Premiumplattform mit SOP2025 gewonnen. Die „APIX-Story“ geht aus heutiger Sicht bis weit ins nächste Jahrzehnt. Mit APIX3 Evo2 reizen wir allerdings die Möglichkeiten des jetzigen Technologieknoten voll aus und natürlich stellen uns unsere Kunden die Frage, wie es mit APIX weitergeht und ob ein APIX4 kommt. Die Antwort ist ein klares „ja, es geht weiter“: Wir denken konkret über das Konzept von APIX4 nach – es existiert bereits ein internes Whitepaper mit Zielspezifikationen – und auch über den künftigen Technologieknoten von APIX4 haben wir uns Gedanken gemacht. Sie werden aber sicher verstehen, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr dazu sagen möchte, nur so viel: lassen Sie sich überraschen, wir wollen auf der Electronica im November viele Innovationen zeigen.
Apropos Electronica – 2016 haben Sie auf der Messe die ISELED-Technologie vorgestellt. 2020 hat ein chinesischer Automobilhersteller ISELED erstmals als Standard implementiert, auch in Korea kommt die Technologie zum Einsatz. Ebenso wie im neuen BMW iX. Welche weiteren Fahrzeuge werden die Technik implementiert haben?
Wie bereits erwähnt, ist Iseled aus einer Idee und in enger Zusammenarbeit mit BMW entstanden und hatte im neuen iX im November letzten Jahres Premiere – als erster OEM in Europa. In Asien gehen die Uhren deutlich schneller: Neben der Premiere im Hongqi H9 der China FAW Group 2020 kommt Iseled bei weiteren chinesischen Modellen wie dem elektrischen C01 von Leap Motors und dem Zeekr 001, Geely’s Premium Elektromarke, zum Einsatz. In Korea sind es der Sprinter „Noble Klasse L13“ von Mercedes Benz und die „Carnival Hi-Limousine“ von KIA. Zudem wird ein weiterer koreanischer Hersteller ISELED einsetzen. Wobei diese Liste keinen Anspruch auf Vollständigkeit hat – unser Allianzpartner der ersten Stunde, Dominant Opto aus Malaysia, ist damit in Asien sehr erfolgreich. Und mit Everlight bietet jetzt auch ein taiwanesischer LED- Hersteller Leuchtdioden für ISELED in Asien an.
Wenn wir die Produktionszahlen ansehen, dann werden unsere Erwartungen bei Weitem übertroffen. Mi 100 Millionen bereits in diesem Jahr sehen wir die eine Milliarde LEDs pro Jahr schon in wenigen Jahren. Zum Glück haben wir mit Globalfoundries einen Partner, der uns trotz der Halbleiterkrise bei diesen enormen Steigerungsraten bestmöglich unterstützt.
Die ISELED Allianz als Industrieverbund für ein entsprechendes Ökosystem wächst stetig. Welche Rolle spielt der Verbund, welche Entwicklungen sind derzeit in Arbeit?
Die ISELED Allianz konnte im Juni dieses Jahres Hongbright, Intron Technology und Polycontact als neue Mitglieder begrüßen. Damit hat die Allianz mehr als 40 Mitglieder (Bild).
Bild: Die ISELED Allianz zählt derzeit 42 Unternehmen.© Inova Semiconductors
Wenn man so eine geniale Idee wie ISELED hat, stellt sich schnell die Frage, wie kann man – noch dazu als kleinere Firma, die bisher nichts mit Licht zu tun hatte – andere dafür interessieren und begeistern? Noch dazu in einem Markt, in dem es große Platzhirsche gibt und der sehr fragmentiert ist. Das führte schließlich zur Idee der ISELED Allianz, die im Herbst 2016 von Dominant Opto, Inova Semiconductors, NXP Semiconductors, Hochschule Pforzheim und Tyco Connectivity gegründet wurde. Und mit der alleinigen Zielsetzung, das ISELED-Ecosystem kontinuierlich zu erweitern und so diese neue Technologie für den Anwender attraktiv zu machen. Heute sind wie schon erwähnt mehr als 40 Firmen aus der ganzen Welt Mitglieder der ISELED Allianz – „Licht“-Tier-1-Zulieferer, LED- und Halbleiterhersteller, spezialisierte Licht-Designer und viele andere – und der große Erfolg und die weltweite Akzeptanz von ISELED geht in hohem Maße auf die erfolgreiche Arbeit dieses Konsortiums zurück. Dazu die großen ISELED-Konferenzen – mittlerweile fanden vier statt –, die letzte im Oktober 2021 in München mit rund 100 Teilnehmern vor Ort und 300 Teilnehmern online. Und – keine Frage – die gut funktionierenden Strukturen dieser Allianz kommen jetzt auch ILaS voll zugute. So arbeitet ein großer Halbleiterhersteller bereits an einem Ethernet-to-ILaS-Bridge-Chip, mit dem der ILaS-Bus direkt mit dem schnellen Ethernet verbunden wird. Ein weiterer arbeitet an einem Matrix-RGB-Baustein mit integrierter ILaS-Schnittstelle. Ähnliche Überlegungen gibt es bereits für Chips mit Sensoren, es finden auch schon Software-Entwicklungen bei Allianzmitgliedern statt, um vollumfängliche Systemlösungen anbieten zu können. Neben den Entwicklungen zukünftiger ILaS-Halbleiterbausteine liegt auch ein großer Fokus vor allem auf neuen Gehäusetechnologien: der begrenzte Bauraum im Fahrzeug ist ein zentrales Thema bei modernen Lichtanwendungen. Kompakte, hochintegrierte System-in-Package-Lösungen mit geringer Verlustleistung sind hier eine wichtige Voraussetzung, um die Pläne der Autobauer umzusetzen, bald hunderte von LEDs, kombiniert mit Sensoren und Aktoren, in ihren Fahrzeugen einzusetzen. Und natürlich geht es auch bei ISELED selbst mit Hochdruck weiter: die nächste Generation ISELED 2.0 mit einem wesentlich erweiterten Funktionsumfang steht bereits in den Startlöchern.
Um die Versorgungssicherheit des iX zu gewährleisten, wurde mit BMW Ende 2021 ein direktes Abkommen geschlossen. Das ist nach eigenen Aussagen Neuland für Sie. Welche Erwartungen haben Sie diesbezüglich?
Echtes Neuland ist das für uns eigentlich nur dahingehend, dass wir erstmals ein formales Abkommen geschlossen haben, um die Versorgungssicherheit bei BMW sicherzustellen. Und das ist natürlich absolut verständlich bei den großen Volumen, um die es bei Iseled in Zukunft geht. In der Sache selbst dann aber doch wieder nicht, weil wir es als Sole-Source-Anbieter auch schon in der Vergangenheit als eine unsere wichtigsten Aufgaben sahen, die Versorgung unserer Kunden mit unseren Produkten sicherzustellen. Auch in der ersten Corona-Krise im Jahr 2020, als nach dem starken Einbruch im Sommer der Bedarf im vierten Quartal plötzlich wieder enorm angestiegen ist und viele Hersteller Lieferprobleme hatten, hat sich gezeigt, dass unser Supply Chain- und Risikomanagement auch bei einem derartigen „Stress-Test“ gut funktioniert: wir konnten selbst da all unsere Kunden zuverlässig beliefern. Gerade mit BMW haben wir ja schon seit vielen Jahren eine enge, erfolgreiche Zusammenarbeit, die geprägt ist von Offenheit und Transparenz – und das in beide Richtungen. Das gleiche gilt für Globalfoundries, unseren Chiplieferanten seit Gründung der Firma im Jahre 1999, bei denen wir all unsere APIX- und Iseled-Chips fertigen lassen. Und die uns nicht nur jetzt – als schnell wachsenden Kunden mit immer höheren Volumen – exzellent unterstützen, sondern das schon getan haben, als wir zu GigaStaR-Zeiten noch ein ganz kleiner Kunde mit „sehr bescheidenen“ Volumen waren: in den ersten Jahren hatten wir dort gerade mal ein Wafer-Los mit 25 Wafern gefertigt – wohlgemerkt im Jahr! Die Unterschrift unter der Vereinbarung mit BMW hat also nur „schwarz auf weiß“ etwas dokumentiert, was wir ohnehin schon seit langem gelebt haben: jetzt, bei immer höheren Volumen aber formaler, bewusster und auf Basis einer seit vielen Jahren bewährten engen Partnerschaft.
Die Fragen stellte Stefanie Eckardt.